Lebensräume der Salzachauen

Die für Auwälder so typischen und wichtigen regelmäßigen Überschwemmungen prägen die Lebensräume stark. Sie bringen Nährstoffe, reißen aber immer auch die Vegetation auf. Nahe am Fluss stehen Bäume bei Hochwasser tage- oder wochenlang unter Wasser, weiter entfernt nur alle paar Jahre für kurze Zeit. Das alles schafft spezielle Bedingungen, die zu einer bestimmten Abfolge der Waldzusammensetzung führt. Der Bereich nahe am Fließgewässer mit regelmäßigen Überschwemmungen wird „Weiche Au“ genannt. Dort dominieren Baumarten, die Überschwemmungen gut aushalten, schnell wachsen und weiches Holz haben. Anschließend daran bildet sich die „Harte Au“ aus, dominiert von Hartholzarten wie Esche und Eiche.

Durch die frühere Kanalisierung und Eintiefung der Salzach sind regelmäßig überflutete Standorte in den Salzachauen noch immer Mangelware. Im LIFE-Projekt wurden solche Standorte aber auf mehreren Hektar Fläche wieder hergestellt.

© Bernhard Riehl

Weiche Au

Nahe an der Salzach wächst eine spezielle, europaweit geschützte Form der „Weichen Au“, die Grauerlenau. Wie der Name schon erkennen lässt, wächst dort die Grauerle begleitet von der Esche. Leider sterben viele Eschen durch das seit einigen Jahren in ganz Mitteleuropa grassierende „Eschensterben“ ab. In der zweiten Baumschicht wächst regelmäßig die Traubenkirsche. Die Grauerlenau ist eng verzahnt mit der Silberweidenau. Im Randbereich zur Harten Au kann man noch einzelne Exemplare der seltenen Schwarzpappel finden, die jedoch in den letzten Jahrzehnten durch angepflanzte heimische Hybrid-Pappeln zunehmend verdrängt wurde.

Flussnahe wachsende Arten wie Grauerlen oder Weiden haben einige spezielle Anpassungen an ihren unsicheren Lebensraum entwickelt. Da sie mitunter wochenlang im Hochwasser stehen müssen, können sie auch über ihre Rinde atmen und den Sauerstoff zu den Wurzeln transportieren, damit diese nicht ersticken. Außerdem können sie sich rasch vegetativ vermehren. Wird ein Ast vom Wasser abgerissen und an ein schlickiges Ufer gespült, bilden sich sofort neue Wurzeln und der Baum lebt an einem anderen Ort weiter.

Schwarzpappeln sind in den Salzachauen selten. Durch die fehlende Überflutungsdynamik und die genetische Vermischung mit der vom Menschen angepflanzten Hybrid-Pappel ist die Art stark bedroht. Im LIFE-Projekt Salzachauen wurden mehrere Tausend genetisch reine Schwarzpappeln aus regionaler Vermehrung daher gezielt angepflanzt, um die natürliche Verjüngung wieder zu fördern.

© Theo Steidl
© Christian Ragger
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Harte Au

Im Anschluss an die Weiche Au wächst ein ebenfalls europaweit geschützter Hartholzauwald. Die selteneren, kurzen Hochwässer in diesem Bereich erfordern keine besonderen Anpassungen mehr. Trotzdem ist auch der Hartholzauwald stark vom Fluss geprägt, besonders durch den stark schwankenden Grundwasserspiegel, der mit dem Wasserstand der Salzach korrespondiert. Die Überschwemmungen bringen regelmäßig feines Sediment, wodurch die Nährstoffversorgung für die Pflanzen sehr gut ist.

Die Esche wird hier zur Haupt-Baumart. Häufiger kommen noch Traubeneiche, Berg-Ahorn und Ulmen vor. Teilweise ranken an den Bäumen Lianen, z.B. die Gewöhnliche Waldrebe. Wenn die Beschattung es zulässt, kann auch die Krautschicht sehr artenreich sein. Unter natürlichen Bedingungen sammelt sich eine große Menge Totholz an, das Lebensraum für eine Vielzahl von Organismen ist.

Im Frühjahr wachsen im Hartholzwald oft flächendeckend sogenannte Frühlingsgeophyten, die die kurze „Lichtphase“ zwischen dem Ende der Schneebedeckung und der vollen Belaubung der Aubäume ausnutzen. Weithin bekannt sind die Salzachauen für die bereits im Februar blühenden großen Bestände des Schneeglöckchens, die wie weiße Teppiche leuchten. Oft wachsen sie zusammen mit den ebenfalls häufigen Frühlingsknotenblumen, die aber etwas später dran sind. Später gesellen sich noch Blaustern, Bärlauch, Gelbes Windröschen oder Gefleckter Aronstab dazu. Viele weitere Arten kommen im Jahresverlauf hinzu. Auch die Tierwelt ist außerordentlich artenreich. Sowohl Vögel wie auch Amphibien und Insekten kommen in großer Zahl vor.

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Totholz

Abgestorbene, stehende Bäume sind eine seltene Besonderheit im Nutzwald. Im Naturwald der Salzachauen sind sie aber in Hülle und Fülle vorhanden. Viele hochspezialisierte Insekten leben ausschließlich im Holz, das vom Frischholz bis zum Moder reicht. Spechte zimmern sich im morschen Holz ihre Brutplätze und Fledermäuse nutzen die Höhlen als Schlaf- und Fortpflanzungsquartiere.

Nachdem Pionierinsekten kleine Löcher in das Holz eines abgestorbenen Holzstammes gebohrt haben, ziehen Pilze ein. Sofort beginnen sie, das Holz zu zersetzen, indem sie Cellulose und Lignin abbauen. Ihre Arbeit zeigt nach rund zwei Jahren erste Erfolge: Die Rinde löst sich ab. Dann vergehen Jahre bis der Baum instabil wird und umfällt und noch Jahrzehnte, bis der Stamm vollständig verschwunden ist.

Totholz ist eine der Voraussetzungen für die Artenvielfalt der Salzachauen. Deshalb bleiben abgestorbene Bäume hier einfach stehen und dürfen von selbst zusammenbrechen. Nur im Bereich der Wege werden sie umgeschnitten, oder es wird die Krone eingekürzt, um Besucher nicht zu gefährden. Bleiben Sie daher unbedingt auf den ausgeschilderten Wegen!

Totholz in den verschiedenen Zerfallsstadien können Sie entlang der Wege in den Salzachauen überall entdecken. Ein genauerer Blick lohnt sich, denn eine Vielzahl interessanter Pilze sind darauf zu entdecken. Am Auenerlebnisweg, an der Station „Tot oder lebendig?“ nördlich des Ausees, stehen zum Vergleich je ein Stück Stamm einer Eiche und einer Pappel. Dort können Sie beobachten, wie unterschiedlich schnell sich hartes und weiches Holz zersetzt.

© Christian Ragger
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Tümpel

Überall im Auwald verteilt gibt es Tümpel. Sie sind oft so klein, dass sie bei langanhaltender Trockenheit auch austrocknen. Wegen der geringen Wassertiefe erwärmen sich Tümpel im Frühling viel schneller als Seen. Daher nutzen Amphibien wie Gelbbauchunke, Laubfrosch oder Grasfrosch sie gerne zur Eiablage, damit sich ihre Nachkommen schnell entwickeln können. Gleichzeitig gibt es keine oder kaum Fische in solchen immer wieder austrocknenden Tümpeln, die den Laich fressen könnten. Zu lange darf die Entwicklung aber nicht dauern, denn im Sommer kann sich das Wasser stark erwärmen und der Sauerstoffgehalt stark sinken.

Die Abwesenheit von Fischen ist auch für einige Insekten ein großer Vorteil. Schwimmkäfer, Wasserkäfer und Larven von Zuckmücken, Libellen und Köcherfliegen leben in Tümpeln vergleichsweise sicher. Auch Wasserpflanzen finden sich in Tümpeln. Jene, die auch zeitweilig im Trockenen stehen können oder Trockenzeiten als Samen überdauern.

Am Auenerlebnisweg führt ein Steg an einem neu angelegten Tümpel vorbei. Dort ist es ausnahmsweise gestattet, den Steg zu verlassen, um das Leben im Tümpel ganz genau in Augenschein zu nehmen.

© Christian Ragger
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Aubäche

In den Salzachauen fließen mehrere kleine Aubäche. Sie kommen meist aus dem Hinterland und laufen einige Kilometer durch die Au, ehe sie in die Salzach münden. Die Aubäche erweitern die Lebensraumvielfalt in der Au ungemein. Für die Fische sind sie geradezu überlebenswichtig, denn viele in der Salzach heimische Fische laichen in diesen Aubächen. Die Jungfische können hier heranwachsen, ehe sie irgendwann den Weg in die Salzach finden. Auch bei Salzachhochwässern sind die Aubäche wichtige Rückzugsgebiete für Fische.

Ein besonderer Aubach ist der Reitbach. Er ist ein „Hybridgewässer“, denn seit der Sanierung der Unteren Salzach vor rund 10 Jahren ist er an die Salzach angebunden. Dadurch hat er eine größere Abflussdynamik bekommen, und reißt bei Hochwasser immer wieder auch Teile der Uferböschung weg. Die dadurch entstehenden unbewachsenen Steilufer sind besonders für den Eisvogel notwendig, der dort seine Brutröhren anlegt.

So ein frei und wild fließender Bach wie der Reitbach ist heutzutage eine Rarität. Möglich gemacht hat dies der großräumige Grundankauf entlang des Bachlaufs durch das LIFE-Projekt. Wenn der dynamische Bach nun ein paar Meter Ufer wegreißt, stört das jetzt niemanden mehr. Im Gegenteil, es ist sogar gewünscht!

Schauen Sie sich im Zeitraffer ein Hochwasser am Reitbach an:

Kalktuffquellen

In den Salzachauen, vor allem in der St. Georgener Au, nördlich von Oberndorf, findet sich kleinräumig ein spezieller und seltener Lebensraum: Kalktuffquellen. Dort wo sich die Salzach in der sogenannten „Laufener Enge“ eingegraben hat und steile Wände am Rand der Au emporragen, tritt an einigen Stellen stark kalkhaltiges Grundwasser aus, wobei der Kalk auskristallisiert und sich ablagert. Dieser abgelagerte Süßwasserkalk wird als Kalktuff bezeichnet und ist vergleichsweise porös. In früherer Zeit war Tuffstein ein beliebtes regionales Baumaterial, da er gut zu bearbeiten war.

Kalktuffquellen sind Lebensraum für eine sehr spezielle und lokal sehr begrenzte Tier- und Pflanzenwelt, da die Bedingungen (z.B. Wassertemperatur) sehr konstant sind und von der Umgebung abweichen. Verschiedene Moose wie Starknervmoose (Cratoneuron commutatum und Cratoneuron filicinum) und Schönastmoos (Eucladium verticillatum) prägen den Lebensraum.

In den Quellen leben die Larven von Eintags-, Stein- und Köcherfliegen, wobei noch nicht im Detail bekannt ist, welche Arten es konkret sind. Kalktuffquellen sind wenig untersucht und bergen vielleicht noch die eine oder andere Überraschung in sich.

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Bunte Blumenwiesen

Bunte Wiesen sind heutzutage in weiten Teilen des Flachgaus eine Rarität. Die artenreichen, traditionell zweimal pro Jahr gemähten und nur wenig gedüngten Wiesen sind größtenteils der heutzutage viel intensiveren Grünlandnutzung zum Opfer gefallen. Fünf Schnitte und mehr samt reichlicher Gülledüngung sind heute im Flachgau vorherrschend.

Wenig genutzte Blumenwiesen sind unerlässlich, um unsere heimische Artenvielfalt zu bewahren. Typische Arten der „Mageren Flachlandmähwiesen“, wie diese im Fachjargon heißen, sind bekannte Arten wie Margerite, Wiesenflockenblume und Schafgarbe. Dazu gesellen sich noch 30 bis 40 weitere Gräser und Kräuter. Die Tierwelt in diesen Wiesen ist zehn Mal so hoch. Gerade viele Insekten haben sich über Jahrhunderte an den Mährhythmus angepasst und schaffen in intensiv genutzten Wiesen die Entwicklung von der Larve bis zum erwachsenen Tier nicht mehr. Blumenwiesen sind aber auch entscheidend dafür, ob Einheimische und Gäste unsere Landschaft als „natürlich“ und „schön“ empfinden.

Im Osten der Weitwörther Au, in der sogenannten „Zone B“, werden 20 Hektar Blumenwiesen neu angelegt. Wo vor kurzem noch Mais wuchs, wird sich langsam ein Paradies für Schmetterlinge, Bienen und naturliebende Besucherinnen und Besucher entwickeln.

© Johannes Maurer
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